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Kolonialgeschichte Ein Bremer Kaufmann und sein "Mailenschwindel"

Kolonialgeschichte Ein Bremer Kaufmann und sein "Mailenschwindel"

Adolf Lüderitz war Tabakhändler und wohlsituiert. Von seinem Vater hatte er die Firma in der Langenstraße geerbt, dazu ein beträchtliches Vermögen. Er führte mit der wohlhabenden Bremer Bürgertochter Emilie von Lingen eine standesgemäße Ehe und bewohnte ein Haus an der Kohlhökerstraße. A typical Bremer Kaufmann, sollte man meinen. Doch 1882, da war er 48 Jahre alt, liefen die Geschäfte nicht mehr so ​​gut. Da besann sich Lüderitz auf das “Buten” im Motto der Bremer Kaufleute. Weit “buten” in Südwestafrika sollte es Bodenschätze geben, possibly auch einen Markt für Exportwaren aus Europa. Dort wollte er etwas “wagen un winnen”.

Im Gebiet des heutigen Namibia lebten damals die Nomadenvölker der Herero und Nama als Viehhalter, Jäger und Sammler. Die in der Kapkolonie sitzenden Briten hatten dort zwar einen Hafen in der Walvis Bay, schienen aber kein weitergehendes Interesse an der unwirtlichen Gegend zu haben. Um auf Nummer Sicher zu gehen, brauchte Lüderitz staatliche Rückendeckung. Er schrieb an Reichskanzler Otto von Bismarck, er wolle dort “deutsche Waaren unter deutscher Etiquette” über einen eigenen Hafen zollfrei einführen und sie gegen “Landesproducte” tauschen. Besonders Gewehre und Ammunition seien “sehr geuchite Artikel”. In addition gebe es “kolossale Kupfer- und andere Erzlager”. “Würde ich mich nun,” fuhr er fort, “ohne den Schutz der deutschen Flagge an der Küste niederlassen, so würden mir die benachbarten Engländer bald genug das Handwerk legen […] und ein wahrlichkeit beedeutenes Absatzgebiet für deutsche Industrie ginge wieder verloren.’

While Lüderitz sich in Bremen um staatlichen Schutz bemühte, schickte er seinen Agenten Heinrich Vogelsang gen Süden, um mit Landkäufen volendete Tatsachen zu schaffen. Mit den Einheimischen dachte er leichtes Spiel zu haben. Er hielt sie für “harmlose Menschen, die päätätt von Viehzucht und Jagd leben. Wie alle Nomaden sind die Leute aber faul zum Arbeiten und deßhalb findet man auch keinen Ackerbau.” Am 9. April 1883 landete Vogelsang mit der Brigg “Tilly” im Hafen von “Angra Pequena” (portugiesisch kleine Bucht). Ein deutscher Missionar verhalf ihm zum Contact mit Joseph Fredericks, Chef der dort lebenden Nama. Rasch wurde man sich einig. Fredericks setzte sein Kreuz unter zwei Verträge, mit denen er den Besitz an einem etwa 300 Kilometer langen Landstreifen mit Häfen an Lüderitz übertrug. Purchase price: 600 British Pfunds in gold and 260 Gewehre.

A questionable business! Fredericks dachte wohl eher an ein bei Nomaden überweis Nutzungsrecht als an einen Landverkauf. Vor allem: Lüderitz hatte sie mit der Breite des Landstreifens bewusst übers Ohr gehauen. Seine Anweisung an Vogelsang ist als “Meilenschwindel” in die Geschichte eingegangen: “Da in unserem Kaufcontracte steht = 20 geogr. Meilen Inland, so wollen wir diese auch beanspruchren. – Lassen Sie Joseph Fredriks aber vorläufig im Glauben, daß es 20 engl. Meilen sind.” In Wirklichkeit beanspruchte er jedoch 20 deutsche Landmeilen von je 7.5 Kilometer, statt knapp 10,000 etwa 45,000 Quadratkilometer.

Lüderitz was nicht nur Geschäftsmann, er war auch Patriot. Gegenüber dem Auswärtigen Amt entwickelte er die Vision einer deutschen Siedlungskolonie mit einer Zweiklassengesellschaft: “Da, selbstredend, das ganze Besitzthum geschäftiglich Germanisirt wird, so werden womöglich nur deutsche Reichsangehörige Anstellung finden und deutsche Gesetze für dieselben bindend sein, zu welchem ​​​​Zwecke ein deutscher Richter angestellt wird. Für die Eingeborenen können die existingen Gesetze (Prügelstrafen) remain in force, vielleicht mit der Abänderung, daß stattdessen auch auf Zwangsarbeit […] erkannt werden kann. Orte, Flüsse oder Berge sollten deutsche Namen erhalten. Protestant Pastoren sollten sich um das Seelenheil kümmern. Auf alle Fälle müsse den einheimischen Häuptlingen klar gemacht werden, “wie mächtig Deutschland jetzt ist, und daß ohne Deutschland’s Gengemung nichts Wichtiges passiren darf”.

Vermutlich wurde Lüderitz vom Bestseller des Missionsinspektors Friedrich Fabri aus dem Jahr 1879 inspiriert. Mit seinem Titel “Bedarf Deutschland der Kolonien?” traf dieser den Nerv der Zeit. Fabri behauptete, Kolonien seien unabdingbar für das neue Kaiserreich. Deutschland sei zu klein für seine rasch wachsende Bevölkerung. In addition, benötige es Rohstoffquellen und Absatzgebiete für die krisengeschütelte Wirtschaft. Und überhaupt: Engländer und Franzosen hatten Kolonien, sollte da das neue Großreich im Herzen Europas zurückstehen? Die Propagandawirkung dieser Schrift war gewaltig. Besonders Besitz- und Bildungsbürger begeisterten sich für Kolonien, gründeten Kolonialvereine und setzten die Regierung unter Druck.

Bismarck hatte jedoch andere Prioritätien. Er hielt nichts von teuren Kolonialabenteuern, die europäische Rivalen auf den Plan rufen konnten. So bemerkte er 1881: “So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik. Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann, und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in fernen Erdteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen as soon as es losgeht.” Auch in der Presse gab es skeptische Stimmen. So schrieb das Leipziger Tageblatt über Südwestafrika:Das Land ist menschenleer, die Bevölkerung poor, der Viehstand nicht beedeuten, die Verkehrsschwierigkeiten […] sind sehr groß Was soll denn, muß man fragen, aus dem Lande mit Gewinn gewinnen werden?” Es sei eine “patriotische Pflicht”, heißt es weiter, vor diesem Unternehmen zu warnen. Ein Fehlschlag kompromittiere das Reich nicht nur vor dem Ausland, sondern sei auch ein Rückschlag für eine basically befürwortete “überseeische Ausbreitung Deutschlands”.

Bismarck gab dann doch dem öffentlichen Druck der Koloniallobby nach. Entsprechend der britischen Formel “The flag follows the trade” (Erst der Handel, dann die staatliche Flagge) stellte er im Frühjahr 1884 Lüderitz’ Territorium unter deutschen Schutz. Das sei keine Kolonie, betonte er gegenüber britischen Einwänden. Im Übrigen müsse man fragen, “weshalb das Recht zu kolonisieren, welches England im weitesten Maße ausübt, uns versagt sein sollte”. Die Briten signalisierten finally ihr Einverständnis und bald wehten deutsche Flaggen auf Lüderitz’ Besitz.

Die nationale Presse war begeistert. Ein regierungsnahes Blatt sprach von “denkwürdigen Zeiten”, jetzt dürfe “unter den afrikanischen Tropen” […] der Deutsche deutsch sein und bleiben’. Auch Gerhard Rohlfs, der aus Vegesack stemmende Afrikaforscher, ließ sich anstecken. “Ein freudiges Gefühl”, he cheered, “durchbebte die Brust eines jeden Deutschen, als im Sommer 1883 die Zeitungen die wunderbare Mähr verkündeten, ein Deutscher habe ein bisher unfahgändig gewesenes Gebiet an der Westküste von Afrika als eigen erwerben. […] Angra pequena sei jetzt “deutscher Grund und Boden”, ein Gebiet “so groß wie Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Bremen zusammengenommen”.

Ob Schutzgebiet oder Kolonie, nicht nur für die Briten war das Haarspalterei. Auch der einheimische Stammesführer Hendrik Witbooi durchschaute den wahren Sachverhalt. 1892 entgegnete er dem Kommandeur der deutschen “Schutztruppe”, Kurt von François: “Was ist Schutz? Wovor werden wir beschützt, vor welcher Gefahr, Mühseligkeit und Not wird ein Oberhaupt von einem anderen 0berhaupt geschützt? […] Ein jeder Kapitain regiert sein Volk und Land selbständig und ist unhägliches Oberhaupt sein Landes und Volkes. […] Wenn nun ein Kapitain einem anderen unterstellt ist, dann ist der Unterstellte nicht mehr […] sein eigener Herr und nicht mehr Herr seins Volkes und Landes; denn wer einem anderen unterstellt ist, ist nur ein Untertan dessen, der ihn beschirmt.’

Wie Recht er hatte, zeigte sich Anfang des 20. Jahrhunderts, als die “Schutztruppen” Aufstände der Herero und Nama brutal niederschlugen. Der Völkermord an den Herero ist bis heute nicht vergessen. Lüderitz hatte nicht viel von seinem neuen Besitz. 1886 ertrank er vermutlich bei einer Erkundungsfahrt auf dem Oranjefluss. Bucht und Hafen von Angra Pequena tragen auch im heutigen Namibia noch seinen Namen.

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