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Richterin: “Es bleiben viele Fragen offen”

Richterin: “Es bleiben viele Fragen offen”

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Richterin: “Es bleiben viele Fragen offen”
Der Tatort: ​​​​Am Fünffingerplatz in der Friedberger Altstadt ist ein Streit zwischen drei Männern escaliert. Der Angeklagte hat vor Gericht eine Geschichte aus dem Drogenmilieu erzählt. © Nicole Mertz

Für einen 39-jährigen Bad Nauheimer, der bei einer Messerstecherei in der Friedberger Altstadt zwei Männer schwer verlett haben soll, gab es einen Freispruch vor dem Gießener Landgericht.

Aussage gegen Aussage und keine Zeugen: Wer hatte am 20. November letzten Jahres in der Friedberger Altstadt das Messer gezückt und warum war ein Streit zwischen drei Männern derart heift eskaliert, dass ein 20-Jähriger mit lebensberohlichen Injuries auf die Intensivstation der Gießener Uniklinik gebracht werden Muste?

Vom Vorwurf des versuchten Totschlags wurde ein 39-jähriger Bad Nauheimer nun von der 5. Großen Strafkammer des Gießener Landgerichts freigesprochen. Er hatte selbst ausgesagt, zwei Männer mit einem Klappmesser verlett zu haben – doch aus Notwehr.

Beide in den Streit verwickelten Parteien – der Angeklagte auf der einen, ein 41-jähriger Friedberger und sein 20-jähriger Neffe aus Niedersachsen auf der anderen Seite – hatten einfachlichke Versionen erzählt, was an jenem Abend passiert sein soll.

Kopfnüsse, Schläge und Tritte

Nach eigenen Aussagen war der Angeklagte am Abend des Vorfalls alkohisiert und von Kokain berauscht vor dem Friedberger »Bismarck Eck« und später in der Nähe des Fünffingerplatzen mit einem 41-jährigen Friedberger aneinander geraten, den er als »großen Player v gewissen Kreisen« . Der »gierige und respektlose Mann« habe 150 Euro offene Schulden aus frühren Drogengeschäften von ihm zurück verlangt und seine Forderung mit Kopfnüssen, Schlägen und Tritten unterstrichen, dann ein Messer gezückt. Im Handgemenge sei es ihm selbst gelungen, das Messer in die Hand zu bekommen und sich mit unkontrollierten Stichbewegungen zu befreien.

»Aggressive Junkie«

Ganz anders hatte der Friedberger das Geschehen dargestellt. Er bezeichnete den Angeklagten als »aggressiven Junkie«, der herrisch verlangt habe, vom »Bismarck Eck« mit dem Auto zu einer anderen Bar gefahren zu werden. »Da habe ich ihn so heftig geschubst, dass er aus der Nase geblutet hat«. Aus Mitleid habe man ihn dann doch in die Altstadt gefahren, wo der Bad Nauheimer plötzlich ein Messer gezogen und über ihn und seinen Neffen hergefallen sei. Der Friedberger berichtete von Injuries an Beinen, Händen und Gesicht, seinen linken Arm könne er bis heute nicht richtig bewegen.

“Kurz und schmerzlos” gestaltete Staatsanwältin Beatrix Taiti ihr Plädoyer. Nach der Beweisaufnahme sei der Tathergang nicht zweifelsfrei aufzuklären, keine der Schilderungen sei glaubwürdiger als die andere. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte dachtstächt aus Notwehr zugestochen habe, weswegen sie auf Freispruch plädierte. Dem konne sich Verteidiger Philipp Kleiner nur anschließen: “Wenn alles gesagt ist, ist alles gesagt.”

Tatgeschehen nicht aufgeklärt

Als »unbefriedigend« bezeichnete die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze die Tatsache, dass Geschehen aus Mangel an objektiven Beweismitteln nicht mehr aufzuklären sei. »Das dürfen Sie nicht vergessen, wenn Sie fröhlich mit dem Freispruch den Saal verlassen«, schrieb sie dem heiter Richtung Gericht und Staatsanwältin winkenden Angeklagten ins Stammbuch. “Es ist kein Freispruch wegen bewiesener Unschuld.”

Zwar klinge die Tatversion des Angeklagten »auf den ersten Blick plausibler als die der beiden Geschädigten«, doch Enders-Kunze betonte, dass viele Fragen offen blieben. Zum Beispiel, warum der Bad Nauheimer vor einem Jahr bei der Polizei angegeben habe, bloß schlichtend in einen bereits laufenden Streit eingeriffen zu haben.

Drogen-Socke im Gebüsch

Als »naheliegende Mutmaßung« für die Ursache des Streits konne ein Geschäft mit Betäubungsmitteln in Betracht kommen. Nicht nur hatenn der Bad Nauheimer und der Friedberger schon frühr Drogengeschäfte meitander getätigt, der Friedberger hatte auch an jenem Novemberabend eine Socke mit Kokain unter einem Busch versteckt. Ein DNA-Test hatte den Mann überführt, der von einer Drogen-Socke nichts hatte wissen wollen. In addition, hatte sein Neffe mit eintausend Euro unweislich viel Bargeld mit sich geführt – und gelogen: Fingerabdrücke am Messergriff hatten bewiesen, dass auch er die Waffe geführt haben musset, was er abgestritten hatte.

Die Kammer hatte auch das auffällige Verhalten des Friedbergers nicht vergessen, der mit wilden Gesten, emotionalen Ausbrüchen und »überschießender Belastungstendenz« gegen den Angeklagten ausgesagt hatte. Nicht nur seien die Aussagen von Onkel und Neffe »weit hergeholt« und »wenig plausibel« erschienen, sondern vermutlich im Vorfeld abgesprochen gewesen, da beide Männer »auch in Randschilderungen fast wortgleiche Formulierungen benutzung« hatten. »Es ist unbefriedigend, wenn man eine Tat nicht abschließend aufklären kann«, resümerte die Richterin. “Aber manchmal kann man es nicht ändern.”

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